Unser Landtagsabgeordneter Norbert Knopf hatte am 4. Februar 2022 zu einer Online-Veranstaltung zum Thema „Renaturierung des Kraichbaches“ mit dem Gewässerexperten Norbert Korn eingeladen, um über den Zustand des Kraichbachs ab Kramer-Mühle bis etwa Höhe St. Leoner See und über sein Potenzial für eine Renaturierung zu sprechen. Norbert Knopf war im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Altlußheimer Experten Norbert Korn den Kraichbach abgegangen und hatte viele Fotos gemacht, die den Vortrag am 4.2. anschaulich unterlegten.
Hintergrund ist, dass von der EU auf Basis ihrer Wasserrahmenrichtlinie von 2000 Maßnahmen zur Herstellung eines „guten ökologischen Zustands“ aller Gewässer gefordert wird. Hier ist sogar ein Verfahren gegen Deutschland anhängig, da wir die Vorgaben bis zur ersten Deadline 2015 nicht erfüllt haben. Nun wurde das Zeitfenster auf 2027 verlängert.
Eines der Gewässerabschnitte die hier im Fokus stehen ist der Kraichbach ab Kramer Mühle bis Gemarkung Hockenheim. Er wurde als Gewässer 1. Ordnung eingestuft, also ein Gewässer mit besonderer ökologischer Bedeutung. Hier soll demnächst eine Gewässerschau des Landesumweltamts stattfinden.
Zunächst wurden im Vortrag die Begrifflichkeiten geklärt. Was bedeutet „guter ökologischer Zustand“? In dem Fall müsste das Gewässer wieder in seinen natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Das ist bei vielen Gewässern gar nicht mehr möglich, da sie bereits sehr starke Eingriffe (z.B. der Begradigung) erfahren haben und auch teilweise durch kritische Gebiete fließen (z.B. durch Wohngebiete). In diesem Fall genügt die Wiederherstellung eines „guten ökologischen Potenzials“ und „des guter chemischen Zustands“. Diese Zielvorgabe trifft auch auf unseren Kraichbach zu, für den somit vor allem Maßnahmen getroffen werden sollen, um dessen natürliche Flora und Fauna weitgehend wiederherzustellen. Aktuell ist aber der Kraichbach im Hinblick darauf vom Land eindeutig als ökologisches Problemgewässer eingestuft. Das konnte Herr Korn auch nach seiner Begehung bestätigen.
„Die Mühle ist sicher, zumindest vor Hochwasser“, war sein Kommentar. Der Bach vor und nach der Mühle bis etwa Ende der Wohnbebauung wurde quasi komplett „einbetoniert“, also beidseitig und auch in seinem Bett mit Beton bzw. Steinplatten befestigt. Das bedeutet aber, dass es für Wasserpflanzen keine Möglichkeiten gibt „Fuß zu fassen“ und somit auch für Fische und Kleinstlebewesen des Wassers kaum Bereiche, die eine Ansiedlung zulassen. Zudem ist auch die Fließgeschwindigkeit zumindest im Mühlenbereich durch die starke Einfassung und fehlende Wasservegetation generell zu hoch. Die meisten Fische können nicht gegen die Strömung anschwimmen, vor allem auch, weil es keine „Ruhemöglichkeiten“ durch Pflanzen oder Einkerbungen am Ufer oder durch Vertiefungen in der Sohle gibt. Trotzdem sei der Bereich an der Mühle, so Korn, „fischökologisch sehr interessant für strömungsliebende Fische, etwa die Barbe“. Sie sei möglicherweise sogar wohl „die interessanteste Stelle des gesamten Kraichbachs“; allerdings gibt es eine Stufe, die man bei der letzten Sichtung 2018 (bei Niedrigwasser und geringer Fließgeschwindigkeit) wohl übersehen hat, so dass man prüfen müsse, ob Renaturierungen im weiteren Verlauf oberhalb, etwa in Bad-Schönborn betroffen seien, da Fische flussaufwärts nicht durchkommen.
Auch im weiteren Verlauf unterhalb der Mühle Richtung See ist der Kraichbach weiter stark eingefasst. Bewuchs auf Wasserebene wurde offenbar auch bewusst unterbunden. Auch hier finden Fische keine günstigen Bedingungen. Dort wo die Bebauung an den Ufern noch sehr dicht ist, gibt es wohl wenig Spielraum für Renaturierung nach der Seite. „St. Leon ist übrigens der am stärksten verbaute Abschnitt des Kraichbachs“, informierte Korn.
Aber auch nach den Wohngebieten, wenn die sichtbaren Stein-/Betonbefestigungen enden, ist eine natürliche Fauna quasi nicht existent, da alles gerade, glatt und unbeschattet ist. Es gibt keinen Sichtschutz für die Fische durch ufernahe Bäume und Büsche. Die Strömung ist in diesem Bereich eher schwach und daher für strömungsliebende Fische nicht geeignet.
Fazit für eine Renaturierung: Wo Gefälle ist, ist kein Platz; wo Platz ist, ist kein Gefälle. Es gibt durchaus interessante Stellen für einen Renaturierung. Etwa oberhalb (hinter) der Mühle oder unterhalb der Mühle, dort wo die Wohnbebauung am Ufer endet. Aber man muss mit zwei verschiedenen Bedingungen – hohe Strömungsgeschwindigkeit an der Mühle, niedrige Geschwindigkeit im weiteren Verlauf bachabwärts – arbeiten. Zudem sind auch Hochwasserschutzbelange zu beachten. Eine nicht leichte Aufgabe, aber durchaus möglich und lohnenswert.
Weitergehende Informationen sind auf den Seiten des Regierungspräsidiums incl. einer Karte zu finden:
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